Jan Pfaff   


Journalist

     




Die Kunst zu überleben



Max Mannheimer ist einer der letzten Holocaust-Überlebenden. Bis heute berichtet er regelmäßig in Schulklassen von seinen Erfahrungen. Wie spricht man über Auschwitz?


Der Freitag, 24.01.2013







Ein Vorort von München, ein kleiner Bungalow in einer Straße, in der alle Häuser gleich aussehen, bundesrepublikanische Normalität. Hier wohnt Max Mannheimer, der eigentlich nach dem Zweiten Weltkrieg als Auschwitz-Überlebender nie wieder nach Deutschland zurückkehren wollte. Dann folgte er aber seiner zweiten Ehefrau, einer Sudetendeutschen, 1946 aus der Tschechoslowakei nach Bayern. Mannheimer ist einer der letzten Zeitzeugen, die noch vom Holocaust berichten können. Seine Haushälterin öffnet die Tür. „Kommen Sie herein“, ruft er um die Ecke. Er sei nicht mehr gut zu Fuß. Er bittet ins Wohnzimmer. Durch das Panoramafenster blickt man auf einen kleinen Garten, an der Wand hängen große Klecksbilder, von ihm selbst angefertigt. Die Haushälterin bringt Tee. Mannheimer unterhält sich auf Polnisch mit ihr. Die Sprache habe er im Lager gelernt, sagt er beiläufig.

Der Freitag: Herr Mannheimer, wie spricht man über Auschwitz?

Max Mannheimer: Das ist sehr schwierig. Viele Überlebende können gar nicht darüber reden. Ich habe auch 18 Jahre geschwiegen – und lieber Bilder gemalt, um damit fertig zu werden.

Wann hat sich das geändert?

1964 ist meine zweite Frau an Krebs gestorben. Einige Monate darauf hatte ich eine Operation, weil eine Zyste in meinem Unterkiefer entdeckt wurde. Der Assistenzarzt wollte mir danach den Befund bringen, dass alles in Ordnung sei. Er hat ihn aber dreimal vergessen. Da dachte ich, es handele sich um eine barmherzige Lüge, ich hätte auch Krebs und müsste sterben. Deshalb habe ich für meine damals 17-jährige Tochter, mit der ich nie vorher darüber gesprochen hatte, meine Erfahrungen aufgeschrieben. Ich dachte, ich bin ihr das schuldig. Die ganz grausamen Dinge habe ich weggelassen.


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